OFENER BRIEF
Herrn Regierungspräsidenten
Gerold Dieke
Regierungspräsidium
Darmstadt
Aschaffenburg / Bonn, 09.01.2005
Dienstaufsichtsbeschwerde und Protest gegen das Staatliche
Umweltamt Hanau wegen Annahme bzw. Zulassung eines Änderungsantrags
der E.ON GroßkraftwerkGroßkrotzenburg zur Mitverbrennung
von jährlich ca. 60.000 to Klärschlämmen und schwerwiegende
Nicht-Information des unmittelbar benachbarten bayerischen Landkreises
Aschaffenburg!
Unser Antrag auf Ihr persönliches Eingreifen!
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Dieke,
hiermit erheben wir Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Ihnen
unterstellte Staatliche Umweltamt Hanau und bitten Sie um Ihr
persönliches Eingreifen!
Begründung:
Nachdem schon in 2003 der E.ON-Großkrotzenburg - obwohl
wir hiergegen schriftlich und auf dem öffentlich-amtlichen
Erörterungstermin Protest erhoben und Ablehnung bekundet
hatten - unter gewissen Bedingungen die Mitverbrennung von 60.000
to Klärschlamm jährlich genehmigt wurde, sollen nunmehr
- wie uns zufällig bekannt wurde - aufgrund eines E.ON-Antrages
verschiedene Änderungen erfolgen:
- Im Genehmigungsbescheid vom 08.12.03 wurde bei der Klärschlammspezifikation
unter dem Parameter Heizwert TS ein Grenzwert von min. 11 MJ/kg
festgelegt. Der jetzt von der E.ON beantragte Entfall des Mindestheizwertes
des zur Mitverbrennung zugelassenen Klärschlamms ist u. E.
unbedingt abzulehnen, weil damit auch eine Änderung der Input-Parameter
für die Schadstoffe Chlor, Fluor, Mangan, Zinn und Thallium
verbunden ist.
Damit soll es möglich werden, Klärschlamm als Abfall
- entgegen dem § 13 (1) KRW AbfG - thermisch zu verwerten und
das heißt praktisch zukünftig Müllverbrennung.
Zu beachten ist, dass bei einem Wegfall des Parameters Heizwert
keinerlei Handhabe besteht, die Entsorgung anderer Problem-Reststoffe
- z. B. Industrie-Schlämme - im E.ON Kraftwerk Großkrotzenburg
zu verhindern.
- Dem Vorhaben der E.ON, in ihrem Kraftwerk Klärschlämme
zu verbrennen, lag die Einlassung zugrunde, diese seien künftig
aufgrund der verschärften Klärschlammverordnung nur
noch zum Teil in der Landwirtschaft unterzubringen.
Prinzipiell wurde diesem Verfahren ursprünglich nur
zugestimmt, weil es als Übergangslösung denkbar
ist. Gegenüber der Verbrennung in speziellen dafür
vorgesehenen Einrichtungen, z.B. Müllverbrennungsanlagen,
hat diese Technik enorme ökologische Nachteile, vor allem
in Bezug auf die Emissionen.
Energiewirtschaftlich ist dieses Verfahren auch nicht sinnvoll,
weil bei dieser "Verwertung" kaum Energie gewonnen wird -
vor allem verglichen mit der Behandlung in Biogasanlagen oder
bei Verwertung des Klärgases. Im Gegenteil, es wird dadurch
ein großer Teil des potentiell nutzbaren Energieinhalts
nicht genutzt, da i. d. R. nur nichtausgefaulter Schlamm die
Vorgabe der Klärschlammverordnung bzw. Heizwert erfüllt
und bei einem Wegfall der Faulung die einzig wirklich ökonomische
Energienutzung - die Nutzung des Klärgases - wegfällt.
Außerdem werden die Beschäftigten durch den Umgang
mit nichtausgefaultem Schlamm einem nicht notwendigen hygienischen
Risiko ausgesetzt, da er nicht keimfrei ist und permanent
größere Mengen Faulgase emittiert.
Die derzeitigen Schwierigkeiten bei der Klärschlammverwertung
ergeben sich auch aus dem unbefriedigenden Zustand der gegenwärtigen
Gesetzeslage. Klärschlämme können a) nur noch
teilweise landwirtschaftlich genutzt werden, können b)
aber nur dann energetisch "verwertet" werden, wenn sie die
Auflage eines ausreichenden Heizwertes erfüllen, was
für die meisten kommunalen Schlämme nicht zutrifft,
vor allem wenn die Schlämme - ökologisch vorbildlich
- gut ausgefault sind. Diesen Zustand sollte der Gesetzgeber
beheben.
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident,
das besonders Skandalöse bei diesem Problemfall aber ist:
Während das gesetzliche Antrags- und Genehmigungsverfahren
für die Mitverbrennung von Klärschlamm in Großkrotzenburg
in 2003 öffentlich gehandhabt wurde, d.h. neben öffentlicher
Auslegung der notwendigen Unterlagen und Durchführung eines
öffentlichen Erörterungstermins (an dem wir bekanntlich
mit Protest und Einwendungen teilnehmen konnten) stattfand,
versucht jetzt - aufgrund des Änderungsantrags der E.ON
Großkrotzenburg das Staatliche Umweltamt Hanau in einem
"halben Geheimverfahren" durch Nicht-Information der Öffentlichkeit
d.h. Unterlagenauslegung nur im Rathaus Großkrotzenburg
bzw. im Umweltamt und weiterhin Nichtdurchführung von
- einer Information des unmittelbar benachbarten bayerischen
Landkreises Aschaffenburg - z.B. die Gemeinden Kahl, Alzenau
usw.
- Nicht-Abhaltung eines öffentlichen Erörterungstermins
möglichst wenig in die Öffentlichkeit zu bringen,
vermutlich, um E.ON - zu Lasten der Umwelt - gefällig zu
sein. Und dieses, obwohl - wie Ihnen bekannt sein dürfte
- sowohl das hessische als auch das bayerische Umgebungsgebiet
als hoch lufthygienisch belastetes Gebiet bekannt ist.
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Dieke,
aufgrund der geschilderten höchst problematischen und skandalösen
Situation beantragen wir hiermit:
- Sofortigen Stop des vom Staatlichen Umweltamtes Hanau eingeleiteten
Verfahrens;
- ggf. Einleitung eines neuen Verfahrens auf voller öffentlicher
Ebene, d.h. u.a. auch Einbeziehung des benachbarten Landkreises
Aschaffenburg, wie Überprüfung und Berücksichtigung
unserer Bedenken und Einwendungen;
- Einholung eines Spezialgutachtens z.B. durch das unabhängige
Öko-Institut Darmstadt.
Wir hoffen auf eine schnelle positive Nachricht und gestatten
uns den Hinweis, dass wir dem hessischen Umweltminister, Herrn
Dietzel, eine Kopie dieses Schreibens zuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Bund Naturschutz, Kreisgruppe Aschaffenburg, Eduard Bernhard,
1. Vorsitzender
BBU e.V., Chr. Ellermann, Geschäftsführerin
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