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Polychlorierte Biphenyle (PCB )

Ein Problem von besonderer Tragweite - im Hinblick auf mögliche, weit in die Zukunft schwerwiegende Folgen für die Betroffenen stellt die Belastung der Gebäude mit Polychlorierten Biphenylen ( PCB ) dar.

Es kann davon ausgegangen werden, dass in etwa 15 000 von 45 000 Schulen in den alten Bundesländern , die in den sechziger und siebziger Jahren erbaut wurden, Raumluftbelastungen mit PCB vorliegen.

PCB waren zu dieser Zeit Bestandteil von Fugendichtmassen in den Dehnungsfugen von Betonbauten. In Gebäuden, die in Schalbetonweise errichtet wurden, dienten PCB als Trennmittel für die Schalbretter, so dass sie aufgrund ihrer Langlebigkeit dort noch heute großflächig aus Betonwänden und Betondecken austreten.

In Materialproben aus Außenfugenbereichen von Gebäuden eines Berliner Bezirks stellte sich zudem heraus, dass von 61 Proben aus 45 Objekten 66% mit PCB belastet waren obwohl sie nachweislich erst - ersatzweise- zwischen 1983 und 1992 eingebaut worden waren. Daraus lässt sich schließen, dass entgegen den bisherigen Annahmen auch durchaus noch nach 1979 mit dem Einsatz PCB- haltigen Fugenmaterials gerechnet werden muss.

PCB wurden in Schulen u.a. als Weichmacher in Lacken, Farben, Fensterkitten, als Flammschutzmittel in akustischen Deckenplatten und in Leuchtstoffröhrenkondensatoren eingesetzt.

PCB ist die Abkürzung für die Substanzgruppe der Polychlorierten Biphenyle. Diese synthetische Chemikalie ist keine Einzelverbindung, sondern steht für eine ganze Gruppe von chlorierten Kohlenwasserstoffen mit 209 theoretisch möglichen Verbindungen. Die einzelnen Verbindungen unterscheiden sich durch Anzahl und Stellung der Chloratome am Molekül und werden Kongenere genannt. Sie sind nummeriert.

PCB gehören zum "Dreckigen Dutzend" der inzwischen weltweit geächteten sog. Dauergifte,. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie kaum mehr abbaubar sind , sich in der Nahrungskette anreichern, ubiquitär verbreitet sind und durch ihre Langlebigkeit ihre Giftwirkung im menschlichen Körper über langen Zeitraum entfalten können.

PCB sind geruchs- und geschmacklos. Sie sind kaum wasserlöslich, dafür aber leicht löslich in den meisten organischen Lösemitteln, in Ölen und Fetten ( das begründet auch die bevorzugte Einlagerung in fetthaltigen Körpergeweben wie z.B. Gehirn und Nerven ).Das Verhalten von PCB in der Umwelt ist in erster Linie vom Chlorierungsgrad abhängig. Je höher der Chlorierungsgrad, umso ausgeprägter weisen PCB folgende Nachteile auf:

  • PCB werden in der Umwelt nur extrem langsam biologisch abgebaut.
  • PCB sind leicht fettlöslich und reichern sich daher in der Nahrungskette an, insbesondere in fetthaltigen, tierischen Nahrungsmitteln.( Fisch, Muttermilch)
  • Die auf Dauer im Körper deponierten PCB bewirken Stoffwechselstörungen der Leber, Hautschäden und eine Beeinträchtigung des Immunsystems. Dazu kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein krebserzeugendes Potential.
  • Eine umfassende Beseitigung ist technisch problematisch und kostenintensiv.
  • Im Brandfall können große Mengen an Dioxinen und Furanen entstehen.

Es gibt zwei PCB- Gruppen, die in ihrer Wirkung starke Ähnlichkeit mit Dioxinen haben und nur um den Faktor 10 weniger toxisch als Dioxine sind. Diese werden mit dem Standart- Test zur Feststellung von PCB ( sowohl in der Raumluft als auch in den biologischen Medien) nicht erfasst Da sie eine den Dioxinen sehr ähnliche Raumstruktur besitzen, zeigen sie auch ähnliche Struktur- Aktivitätsbeziehungen. Sie werden deshalb auch als dioxinähnliche PCB bezeichnet.

PCB, die einen dioxinähnlichen Wirkmechanismus aufweisen sind die koplanaren PCB und die mono- ortho- substituierten PCB. Bei den koplanaren PCB liegen beide Ringe des Biphenylgrundgerüstes in einer Ebene. Sie sind nicht gegeneinander verdreht. Diese koplanare Ringanordnung ist dann möglich, wenn die vier Positionen neben der Ringbrücke, die sogenannten ortho- Positionen, nicht von Chloratomen besetzt sind. Koplanare PCB sind die Kongenere PCB 77, 126 und 169.

Bei den mono- ortho- substituierten PCB ist eine der vier Positionen neben der Ringbrücke, den sogenannten ortho-Positionen, von einem Chloratom besetzt. Es handelt sich hierbei u.a. um die Kongenere PCB 105, 114, 118, 123, 156, 157.

Dioxine und dioxinähnliche PCB binden sich im menschlichen Körper an ein bestimmtes Rezeptorprotein ( Ah- Rezeptor) mit der Folge hormonähnlicher Wirkungen:

Bereits geringste Konzentrationen bewirken weitgehende Veränderungen im Zellstoffwechsel. Es werden vermehrt Enzyme gebildet insbesondere das Enzym Arylhydrocarbon-hydrolase in der Leber. Diese Enzyminduktion tritt bereits nach einmaliger, jedoch wesentlich stärker nach längerfristiger Aufnahme ein. Der aus dem Gleichgewicht geratene Zellstoffwechsel kann bis zur bösartigen Entartung der Zelle führen .Die krebserzeugende Wirkung stellt nur einen von vielen Effekten dar. nichtkarzinogene Wirkungen treten offenbar bei bereits viel niedrigeren Konzentrationen auf.

Zu ausführlicheren Darstellungen gesundheitlicher Folgen der Belastung mit PCB siehe: Merkblatt für PCB , Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW-Hessen über
www.pcb-elterninitiative-duisburg.de oder: www.umwelt.gew-landesverband-hessen.de

 

Entwicklungs- Lern- und Verhaltensstörungen

PCB sind plazentagängig und exponieren somit vorgeburtlich die menschliche Frucht gegenüber den Belastungen des mütterlichen Fettgewebes. Nach der Geburt wird der Säugling über die Muttermilch relativ hohen PCB- Belastungen ausgesetzt. Diese PCB- Konzentrationen in der Muttermilch haben als potentielles Entwicklungsrisiko erhebliche Aufmerksamkeit gefunden.

Unter dem Spektrum biologischer Wirkungen wie Enzyminduktion, Immuntoxizität, Reproduktionstoxizität und Schilddrüsen- Unterfunktion, scheint die entwicklungsbezogene Neurotoxizität dieser Verbindungen eine hervorragende Rolle zu spielen, und insbesondere für das sich entwickelnde Nervensystem von toxikologischer Bedeutung zu sein.

Die Bedeutung einer entwicklungsbezogenen Neurotoxizität von PCB- Belastungen beim Menschen sind u.a. durch folgende Untersuchungen gestützt:

  • die Ergebnisse der sogenannten Michigan- Studie von Jacobson et al.1985,die pränatale Schädigungen nach regelmäßigem Fischkonsum aus den Großen Seen ergab mit Auswirkungen auf die Auffassungsgabe, und Gedächtniskapazität, auf Hör- und Sprachentwicklung, die teilweise bis ins 11. Lebensjahr reichten:
  • Bei Geburt: Geringere neuromuskuläre Reife, höhere PCB- Konzentrationen im Rückenmark,
  • Im Alter von 4 Jahren zeigten sich niedrigere Auffassungsgabe, Hör- und Sprachdefizite, Defizit in der Gedächtniskapazität
  • Im Alter von 11 Jahren: Defizit im Intelligenzquotienten von 6,2%, 6-12monatiger Rückstand im Lesen und Schreiben.

Die Ergebnisse sind u.a. in dem Buch " Die bedrohte Zukunft" von Theo Kolborn zusammengefasst: Zitat: "In Tierexperimenten und Untersuchungen an Menschen wurden Lern- und Verhaltensstörungen festgestellt, die sehr große Ähnlichkeiten zu denen haben, die man mit zunehmender Häufigkeit bei Schulkindern im ganzen Land beobachtet.In den USA leiden 5- 10% aller Kinder im schulpflichtigen Alter an einer Reihe von Symptomen wie Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen, die es ihnen erschweren, aufmerksam zuzuhören oder zu lernen. Zahllose andere leiden unter Lernstörungen,die von Gedächtnisschwäche bis zur Schädigung der Feinmotorik reichen."

 

Die Holländische PCB/ Dioxin- Langzeitstudie ( Patandin et al.,1993- 97):

Im Rahmen einer europaweiten Studie von 1993 - 1996 wurden Neugeborene auf verschiedenen Altersstufen hinsichtlich ihrer neurologischen und kognitiv- motorischen Entwicklung untersucht. ( Lanting,et al., 1998, Patandin et al., 1999, Winneke et al., 1998).

Die Ergebnisse zeigten einen deutlichen Zusammenhang zwischen perinataler PCB- Belastung ( mit der Muttemilch) und der Entwicklung des neuro- vegetativen- Systems, verbunden mit Verhaltensstörungen, immunologischen und endokrinen Veränderungen. Einige dieser Effekte sind bis ins Vorschulalter nachweisbar, andere erkennt man erst bei der Einschulung ( z.B. schwächere kognitive Leistungen, geringere gerichtete Aufmerksamkeit, zurückgezogenes Verhalten).

Die vorliegenden Ergebnisse lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass negative Zusammenhänge mit prä- und perinataler PCB- Belastung bis zum Alter von 18 Monaten eher schwach ausgeprägt sind, während im Alter von 30 und 42 Monaten ausgeprägtere negative Zusammenhänge mit der frühen PCB- Belastung für die motorische und die mentale Entwicklung nachweisbar sind.

Da PCB die Synthese von Nervenbotenstoffen hemmen, sind beim Besuch PCB- belasteter Schulen die Motorik und das Limbische System betroffen mit den Folgen des Nachlassens geistiger Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit.

Die unmittelbare Einwirkung der PCB beim Besuch dieser Schulen zeigt eine Untersuchung von Apfelbach ( 1998), der nachwies, dass PCB beim Einatmen über die Riechnerven aufgenommen und direkt ( ohne Umweg über die Blutbahn) im Gehirn angereichert und gespeichert werden.

Neben der Neurotoxizität der PCB findet ihr Potential zur Interaktion mit dem endokrinen System gesteigerte Beachtung. Neben Wirkungen auf Schilddrüsenhormone, die als mögliche Grundlage für die entwicklungsbezogene Neurotoxizität der PCB diskutiert werden, sind offensichtlich auch Interaktionen mit Sexualsteroiden von besonderer Bedeutung.

In neueren tierexperimentellen Untersuchungen konnten prägnante, resistierende antiandrogene PCB- Wirkungen hormonell und im Verhalten an Ratten nachgewiesen werden. In der Taiwan- Studie ( Guo et al., 1995) konnte gezeigt werden, dass exponierte Jungen erheblich stärker beeinträchtigt waren, als PCB- exponierte Mädchen. Dieser Befund wird als Hinweis auf östrogene bzw. antiandrogene PCB- Wirkungen während der frühen Hirnreifung gedeutet.

Weitere Hinweise von Interaktionen von PCB mit Sexualsteroiden sind die in der Taiwan- Kohorte beschriebene verkürzte Penislänge der exponierten Jungen, sowie die von Lanting (1999) beschriebene positive Assoziation zwischen Volumen und Fettgehalt der Muttermilch und der mütterlichen PCB- Belastung.

Eine neuere Arbeit von Walkowiak et al., 2001, beweist den länger vermuteten Zusammenhang zwischen der PCB- Belastung der Muttermilch und der geistigen Entwicklung der Kleinkinder. Dabei war das Ausmaß der Intelligenzentwicklungsstörung sogar abhängig von den gemessenen PCB- Konzentrationen. Der Effekt trat pränatal und postnatal auf. Aus den gefundenen Dosis- Wirkungs- Effekten wird geschlossen, dass schon die gegenwärtige Hintergrundbelastung mit PCB schädlich auf die geistig- motorische Entwicklung wirkt.

Dieser Befund wird durch eine Reihe weiterer Studien gestützt, die in den Materialien des Landesumweltamtes NRW Nr.62 ( 2002) : " Toxikologische Bewertung polychlorierter Biphenyle (PCB) bei inhalativer Aufnahme" zusammengefasst sind.

Diese Studie kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • verzögerte motorische und kognitive Entwicklung nach pränataler PCB- Exposition mit
  • Beeinträchtigung der Intelligenz- Entwicklung in Korrelation zur PCB- Belastung der Muttermilch
  • Toxische Wirkung auf das Immunsystem mit verminderter Anzahl bestimmter Lymphozyten, verminderter Bildung von Antikörpern gegen Krankheitserreger,
  • Thymus- Atrophie ( Verkümmerung der Thymusdrüse, in der die Lymphozyten gebildet werden) in Tierversuchen
  • Schilddrüsen- Effekte: vergrößerte Schilddrüsen mit Struma- Bildung, Veränderung der Konzentration der Schilddrüsenhormone TSH, und Tyroxine T3 und T4
  • negative Effekte auf die Fruchtbarkeit bei Affen, verkürzte Schwangerschaftsdauer
  • erhöhtes Krebsrisiko.

Die bereits bekannten neurotoxischen Langzeit- Wirkungen wurden in dieser Studie nicht untersucht.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass wegen der referierten Dosis- Wirkungs- Beziehungen bei den toxischen PCB- Wirkungen die geltenden Vorsorgewerte drastisch gesenkt werden müssten.
www.lua.nrw.de ( dann : Mat.62)

Benutzte Literatur:

  • Bremer Umweltinstitut: PCB - begrenzter Nutzen, grenzenloser Schaden, Bremen, 1998
  • Brendel, Mathias: " Ein Element des Teufels" in : Natur 6, 1993
  • Landesumweltamt NRW ( Hrgb) : Materialien Nr. 62, Kalberlah et al., Toxikologische Bewertung polychlorierter Biphenyle ( PCB ) bei inhalativer Aufnahme, Essen, 2002
  • Greenpeace e.V.: Studie - Chlor macht krank, Hamburg 1995
  • Krug, W. : Lern- und Verhaltensstörungen bei Kindern, ein Schadstoffproblem?, Baunatal, 2000
  • Walkowiak et al. : Polychlorierte Biphenyle und geschlechtsgebundene kognitive Funktionen bei Kindern ( Zwischenbericht), Düsseldorf, 2000