Einwendungen zum immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungsverfahren
der e.on AG bez. 60.000 Jato Klärschlamm-Mitverbrennung im
Kraftwerk Staudiger/ Großkrotzenburg Block 5/Hessen/Unmittelbar
an bayerischer Landesgrenze Landkreis Aschaffenburg /
Offener Brief von BBU, Bund Naturschutz Bayern - KG Aschaffenburg,
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald - KV Aschaffenburg an das Regierungspräsidium
Darmstadt
An das
Regierungspräsidium Darmstadt
64278 Darmstadt
per Telefax
Aschaffenburg/Großkrotzenburg,
04. Juli 2003
Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen das o.g. Vorhaben erheben wir
die folgenden Einwände
Die Notwendigkeit und Durchführbarkeit
der Maßnahme im angegebenen Rahmen ist auf Grund möglicher
und kostengünstigerer Verwertungsalternativen nicht nachvollziehbar.
- Die Angaben des Genehmigungsantrags
sind unzureichend bez. des Heizwerts der mit verbrannten Schlämme,
so dass evtl. ein Verwertungsmißbrauch zu befürchten
ist.
- Bei den zur Verbrennung vorgesehenen
Schlämmen ist eine mögliche Verwertung der enthaltenen
Phosphate und anderer Pflanzennährstoffe bzw. Wertstoffe
nicht berücksichtigt bzw nicht vorgesehen.
- Die Anforderungen an die Klärschlammqualität,
hier die derzeit gültige Klärschlammverordnung, sind
den Notwendigkeiten und technischen Möglichkeiten der thermischen
Verwertung nicht angemessen und entsprechen damit nicht dem Stand
der Technik.
- Das für die Emissionen verwendete
zweidimensionale Ausbreitungsmodell ist überholt und wird
nicht den lufthygienischen Besonderheiten der Untermain/Vorspessart-Region
gerecht.
Begründung:
zu 1.):
Zur Begründung der Notwendigkeit
der Klärschlamm-Mitverbrennung wird seitens der Antragsteller
angeführt, die Verbringung von Klärschlamm auf Äcker
stoße zunehmend auf Ablehnung und die Deponierung sei in absehbarer
Zeit nicht mehr zulässig.
Hierzu ist fest zu stellen, dass die Deponierung bereits jetzt praktisch
keine Rolle mehr spielt und deshalb hierfür auch nicht in größerem
Umfang Entsorgungsalternativen zu bemühen sind.
Für die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung wurde
im nahe gelegenen hessischen Wetteraukreis ein vorbildliches Verwertungsmodell
eingerichtet, das bundesweit Beachtung findet und auch bei der mit
wirkenden Bauernschaft, im Besonderen dem hessischen Bauernverband,
große Akzeptanz findet. Diese kostengünstige Art der
Verwertung garantiert nicht zuletzt einen besonders sorgfältigen
Umgang der angeschlossenen Kommunen mit den Abwässern, der
bei einer Klärschlamm-Verbrennung nicht mehr zu erwarten ist.
Im hessischen Main-Kinzig-Kreis sind
die Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung
bei weitem nicht ausgeschöpft. Das Wetterau-Modell würde
auch hier Akzeptanz bei den im Bauernverband organisierten Landwirten
finden. Bei den dort erreichten Klärschlammqualitäten
hätte die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung auch
bei der vorgesehenen Novellierung der Klärschlammverordnung
Bestand.
Außerdem wurden die landbauliche Verwertung von Klärschlämmen,
z.B. zur Rekultivierung von ehem. Braunkohle-Tagebauflächen,
Verfahren zur Klärschlamm-Vererdung und neuere Verfahren der
industriellen Verwertung nicht bzw. nicht angemessen berücksichtigt.
Es muß so bezweifelt werden, dass die angestrebte Menge von
60000 Jato Klärschlämmen pro Jahr aus dem Umkreis von
50 km akquiriert werden kann.
Wahrscheinlicher ist, dass Klärschlämme über weitere
Strecken zu ungünstigeren Konditionen angeliefert werden müssen
und/oder die Zusagen bez. der angeforderten Qualität (entspr.
Klärschlammverordnung) nicht eingehalten werden können.
Dies würde zu einer wesentlich stärkeren als der prognostizierten
Belastung der Region führen.
Insofern sind nähere Angaben zu den vorgesehenen Anlieferern
der Klärschlämme und eine Alternativplanung für den
Fall, dass die Akquisisition im näheren Umkreis nicht möglich
ist, vonnöten.
zu2.)
Im Genehmigungsantrag fehlt bei der
Klärschlammspezifikation eine Angabe zum Heizwert der Klärschlamm-Trockensubstanz.
Angegeben ist nur der Grenzwert (min.) und der Hinweis, dass beim
Unterschreiten des Heizwerts eine Beauftragung des öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgers gem. §16 Abs. 1 KrW/AbfG erforderlich ist.
Diese Angaben sind jedoch näher zu spezifizieren.
In Unterlagen zu anderen Kraftwerken in Deutschland finden sich
nämlich als Angaben zu diesem Heizwert regelmäßig
Werte am unteren Rand der Zulässigkeit. Eine unabhängige
Quelle (österreichisches Umweltbundesamt) kommt im Schnitt
zu Heizwerten von 10 MJ/m3 bei den in Kraftwerken mitverbrannten
Klärschlämmen, die nach §6 KrW/AbfG für die Einstufung
als Verwertung nicht ausreichend sind. Dabei ist davon aus zu gehen,
dass es sich hierbei um Klärschlämme mit deutlich höherem
Heizwert als die in Großkrotzenburg anvisierten handelt, da
moderne Klärwerke durch Desintegrationstechniken einen wesentlich
höheren Ausfaulungsgrad erreichen und damit der Organikanteil
deutlich absinkt.
Bei den für Staudinger vorgesehenen Klärschlämmen
ist es so in der Mehrheit fraglich, dass der in KrW/AbfG §6 geforderte
Heizwert von 11 MJ/Nm3 erreicht wird. Es hat ohnehin
den Anschein, dass er in den o.g. Fällen eher gesetzt als ermittelt
wurde.
Ferner sind derartige Berechnungen prinzipiell fragwürdig,
solange die Energie zur Entwässerung der Klärschlämme
in der Regel nicht bzw. nicht korrekt oder nicht angemessen berücksichtigt
wird.
Es ist daher zu fordern, dass der Heizwert der Klärschlämme
in Frage kommender Kläranlagen im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens
im Einzelfall abgeklärt wird, um sicher zu stellen, dass ein
Verwertungsmißbrauch durch Mitverbrennung nicht ausreichend
brennbarer Klärschlämme nicht zum Standard wird.
zu 3.)
Klärschlämme enthalten im
Gegensatz zu Kohle in der Regel hohe Phosphatanteile, die nach dem
Verbrennen 10-15% der Asche ausmachen. Phosphate sind aber wertvolle
Düngemittel und stehen im Weltmaßstab nur begrenzt zur
Verfügung, vor allem in schadstoffarmen Qualitäten. Eine
Verknappung der Phosphatvorkommen durch sachfremde Verwertung von
Abfalldüngern könnte mittelfristig zur Verwendung minderwertiger,
stark Cadmium belasteter Phosphatvorkommen zwingen. Nicht zuletzt
führt die Aufbereitung natürlicher Phosphate zu starken
Umweltbelastungen (Freisetzung von Radionukliden und Fluor, Landschaftszerstörung).
Außerdem kann die Phosphorbildung
in der Feuerung die Leistung der Abgasreinigungsanlagen negativ
beeinflussen und zur verstärkten Freisetzung von Feinstäuben
führen.
Es ist deshalb zu fordern, dass nur Klärschlämme aus Abwässern
behandelt werden, bei denen eine Phosphatfällung und -Rückgewinnung
vorgenommen wurde. Sollte dies nicht möglich sein, sind Aufbereitungsverfahren
zur Rückgewinnung der Phosphate aus der Schlacke bereit zu
stellen. Bei der Abluft-reinigung ist eine wesentlich wirksamere
Abscheidung von Stäuben als bei Kohle notwendig. Außerdem
sind Untersuchungen zur eutrophierenden Wirkung der Phosphatemissionen
vor zu sehen.
zu 4.)
Im Genehmigungsantrag wird als Grundlage
der Annahme von Schlämmen eine Analyse gem. Klärschlammverordnung
genannt.
Die Klärschlammverordnung bezieht sich jedoch in erster Linie
auf die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen.
Was hier wünschenswert ist (z.B. Vorkommen von essentiellen
Spurenelementen wie Nickel, Chrom oder Selen), schafft bei der Freisetzung
als Staub nach der Verbrennung erhebliche und z.T. noch nicht erforschte
Probleme, z.B. bez. Allergie auslösender Oxide. Einige Schadstoffe,
die im Klärschlamm bzw. im Boden fest gebunden werden, z.B.
Quecksilber oder Selen, werden bei der Verbrennung großen
Teils frei gesetzt.
Außerdem ist die z.Z. geltende Klärschlammverordnung
kein wirklich einschränkendes Kriterium. Die meisten Grenzwerte
werden zu weniger als einem Zehntel ausgeschöpft und können
auch von relativ stark belasteten Klärschlämmen mühelos
eingehalten werden.
Für die Verbrennung müssen deshalb andere Kriterien zu
Grund gelegt werden. So sollte der Gehalt an Quecksilber sowie allergenen
und karzinogenen Schwermetallen nicht höher liegen als bei
der eingesetzten Kohle. Außerdem sind Untersuchungen zur Struktur
der frei gesetzten Stäube vor zu legen, um sicher zu stellen,
dass bei der Klärschlammverbrennung keine neue Arten von Lungen
gängigen und karzinogenen Partikeln entstehen.
zu 5.)
Als Untersuchungsgebiet für die
Auswirkungen der geplanten Klärschlammverbrennung wird im Genehmigungsantrag
ein Gebiet mit einem Radius von 7000m um das KW Staudinger ausgewiesen.
In das Genehmigungsverfahren wurden auch nur die Gemeinden innerhalb
dieses Gebiets einbezogen.
Ein derart vereinfachtes zweidimensionales Modell wird jedoch den
Besonderheiten der Untermain/Vor-spessart-Region nicht gerecht.
Sie liegt im Weststau einer großen Mittelgebirgskette, ist
bekannt für einen geringen Luftaustausch und auch als lufthygienisch
vorbelastetes Gebiet anerkannt. Regelmäßig werden in
und um Aschaffenburg und im Hochspessart die höchsten Ozonkonzentrationen
Bayerns gemessen.
Im vorliegenden Fall sind deshalb dreidimensionale Modelle zur Anwendung
zu bringen, wie sie z.B. der Deutsche Wetterdienst entwickelt hat
und die Kriterien wie z.B. die Häufigkeit und Stabilität
von Inversionswetterlagen berücksichtigen.
Ferner sind Untersuchungen darüber anzustellen, wie die speziell
bei der Klärschlammverbrennung entstehenden Partikel die Ozonbildung
beeinflussen. Im Reinluftgebiet des Spessarts die für den speziellen
Reaktionsmechanismus der Ozonbildung neben Sauerstoff notwendigen
Fremdatome relativ selten; diese Situation könnte sich jedoch
durch die Freisetzung von "Exoten", wie sie im Klärschlamm
vorkommen (Phosphorverbindungen, Selen, Bor), deutlich ändern.
Aus den aufgeführten Gründen
wird die geplante Verbrennung von ca. 60.000t Klärschlamm abgelehnt.
Mit freundlichen Grüßen
Bund Naturschutz in Bayern e.V.,
Kreisgruppe in Aschaffenburg
Karlheinz Wissel (2. Vors), Hartmut Haas-Hyronimus (BN-Recycling/Abfall-Referent)
Schutzgemeinschaft "Deutscher
Wald", Kreisverband A`burg-Alzenau
gez. M. Bambeck
Bundesverband-Bürgerinitiativen-Umweltschutz
e.V.
Eduard Bernhard (Vorstandsmitglied)
|