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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden

Stand des Entwurfs: 04.03.2005

Als Vertreter des BBU gab Herr Oliver Kalusch folgende Stellungnahme ab (01.04.05):

Das Umweltschadensgesetz, welches der Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/35/EG dient, ist inhaltlich unzureichend. Der Gesetzentwurf ist daher überarbeitungsbedürftig.

Soweit nachfolgend Vorschläge über die gemäß der Richtlinie 2004/35/EG zwingend umzusetzenden Bestimmungen hinausgehen, ist deren rechtliche Verankerung insbesondere auf der Grundlage von Art. 176 EGV möglich.

 

I. Begriffsbestimmungen

1. Der Schadensbegriff (§ 2 Nr. 1 USchadG)

Ein Umweltschaden i. S. d USchadG ist definiert als eine Schädigung bestimmter Schutzgüter nach Maßgabe der Fachgesetze BBodSchG, BNatSchG und WHG (§ 2 Nr. 1 USchadG). Eine Schädigung i. S. d. USchadG nach Maßgabe der § 22a Abs. 1 WHG und § 21a Abs. 1 BNatSchG soll grundsätzlich jeder Schaden sein, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die jeweils ausgeführten Schutzgüter bzw. für bestimmte schützenswerte Zustände hat.

Die qualifizierenden Merkmale, gemäß derer eine nachteilige Auswirkung erheblich ist, sind weder im USchadG noch in den Fachgesetzen BBodSchG, BNatSchG oder WHG aufgeführt. Dies hat zur Folge, dass die Bundesländer in ihren Fachgesetzen zum Bodenschutz, Naturschutz und Gewässerschutz den Begriff der Erheblichkeit inhaltlich ausfüllen müssen.

Dabei hilft der Katalog des Anhangs I zu Art. 2 Nr. 1 lit. a EU-RL 2004/35/EG nur unwesentlich weiter. Denn dieser Katalog bezieht sich lediglich auf die Wesentlichkeit in Bezug auf den Naturschutz, nicht jedoch auf den Gewässer- und Bodenschutz.

Hinsichtlich des Naturschutzes beinhaltet Anhang I zu Art. 2 Nr. 1 lit. a EU-RL 2004/35/EG Anforderungen an Daten, die zur Feststellung der Erheblichkeit ermittelt werden sollten, das Kriterium der nachweislichen Auswirkung auf die menschliche Gesundheit, sowie einen Katalog von Schädigungen, die als nicht erheblich eingestuft werden müssen. Positivkriterien für eine Entscheidung über die Erheblichkeit einer Schädigung in Bezug auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands von Lebensräumen und Arten sind nicht erkennbar.

Art. 2 Nr. 1 lit. b EU-RL 2004/35/EG enthält zwar Anforderungen, welche Parameter zur Beurteilung eines Gewässer zu betrachten sind, nicht jedoch, welche Veränderung als eine erhebliche nachteilige Auswirkung zu betrachten ist.

Ähnlich verhält es sich hinsichtlich des Bodenschutzes. Hier ist das entscheidende Kriterium das "erhebliche Risiko einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit" (Art. 2 Nr. 1 lit. b EU-RL 2004/35/EG), ohne die Erheblichkeitsschwelle festzulegen.

Damit drohen eine divergierende Rechtsanwendung in den Bundesländern sowie Rechtsunsicherheiten, die zu einer Fülle von Klagen führen können. Dies ist geeignet, die Wirksamkeit des USchadG erheblich zu reduzieren.

In inhaltlicher Hinsicht wäre es geboten, jede nachteilige Auswirkung auf Bestandteile der Umwelt vom Schadensrecht erfassen zu lassen. Es bestünde sonst nicht nur die Gefahr, dass Umweltschäden im Verwaltungsvollzug grundsätzlich als unerheblich angesehen würden. Darüber hinaus könnte auch der Fall eintreten, dass sich eine Vielzahl von Umweltschäden, die jeweils für sich als unerheblich angesehen würden, zu einem erheblichen Schaden summieren könnten, der aber kein Eingreifen der zuständigen Behörde zur Folge hätte.

 

2. Die Schädigung des Bodens (§ 2 Nr. 1 lit. c USchadG)

Der Begriff der Schädigung des Bodens stellt in Art. 2 Nr. 1 lit. c EU-RL 2004/35/EG und § 2 Nr. 1 lit. c USchadG auf das Tatbestandsmerkmal der Gefahren für die menschliche Gesundheit ab.

Dieses anthropozentrische Kriterium wird dem Anspruch des Schutzes der Umwelt und ihrer Bestandteile um ihrer selbst Willen nicht gerecht. Für eine Schädigung des Bodens sollte die Beeinträchtigung einer der Bodenfunktionen i. S. d. § 2 Abs. 2 BBodSchG ein hinreichender Grund für das Vorliegen eines Schadens sein. Das zusätzliche Tatbestandsmerkmal "Verursachung von Gefahren für die menschliche Gesundheit" ist daher in § 2 Nr. 1 lit. c USchadG zu streichen.

 

3. Die unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens (§ 2 Nr. 5 USchadG)

Die unmittelbare Gefahr eines (Umwelt)Schadens wird in Art. 2 Nr. 9 EU-RL 2004/35/EG und § 2 Nr. 5 USchadG durch die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass ein Umweltschaden in naher Zukunft eintreten wird, definiert.

Vermeidungsmaßnahmen bzgl. noch nicht eingetretener Umweltschäden gemäß Art. 5 EU-RL 2004/35/EG und § 2 Nr. 6 USchadG sind mithin von einem zu erwartenden Schadenseintritt in naher Zukunft abhängig.

Es macht umweltpolitisch keinen Sinn, mit Vermeidungsmaßnahmen zu warten, bis ein Schaden unmittelbar bevorsteht. Auf das Kriterium, der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit, dass ein Umweltschaden in naher Zukunft eintreten wird", sollte daher verzichtet werden. Ausreichend sollte sein, dass der Schaden bei einem ungestörten Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten wird.

 

II. Anwendungsbereich (§ 3 USchadG)

Es ist nicht ersichtlich, warum die Garantiehaftung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG nicht auch für Schädigungen durch andere Tätigkeiten (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG) gilt. Dies sollte geändert werden.

Selbst bei einer nicht so weitgehenden Änderung wäre eine Ausdehnung der Garantiehaftung geboten. So müsste auf Grund des jeweiligen Gefahrenpotentials eine Erweiterung vorgenommen werden um:

  • den Betrieb von Anlagen, die einer Genehmigung nach § 4 BImSchG i. V. m. Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV bedürfen, da alle nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen.
  • alle Betriebsbereiche (§ 5a BImSchG; Art. 2 Abs.1, Art. 3 Nr. 1, 4, Art. 4 EU-RL 96/82/EG) i. S. d. § 1 der 12. BImSchV bzw. Betriebe der EU-RL 96/82/EG, da von diesen Projekten ein relevantes Störfallrisiko ausgeht und diese nur zum Teil vom Anhang der 4. BImSchV umfasst werden.

§ 3 Abs. 4 USchadG verlangt die Feststellung einer strengen Kausalität zwischen dem eingetreten Schaden und den Tätigkeiten einzelner Verantwortlicher. Dem gegenüber reicht im UmweltHG für besonders gefährliche Anlagen bereits eine Ursachenvermutung aus (§ 6 UmweltHG). Das USchadG sollte um eine derartige Ursachenvermutungsregelung ergänzt werden, damit nicht durch zu strenge Ansprüche wesentliche Teile des Gesetzes ins Leere laufen.

Nicht ersichtlich ist zudem, warum in einer zivilen Gesellschaft eine Privilegierung militärischer Tätigkeiten erfolgen soll. § 3 Abs. 5 Alt. 1 USchadG sollte daher entfallen.

 

III. Aufforderung zum Tätigwerden (§ 10 USchadG)

1. Die Ausnahmeregelung des Art. 12 Abs. 4 EU-RL 2004/35/EG

§ 10 USchadG gewährt Dritten das Recht auf die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens durch die zuständige Behörde lediglich zur Durchsetzung der Sanierungspflichten. Art. 12 EU-RL 2004/35/EG ermöglicht es jedoch auch, Dritten das Recht auf die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens durch die zuständige Behörde zur Durchsetzung der Gefahrenabwehrpflichten einzuräumen. Stattdessen soll jedoch im USchadG von der Ausnahmeregelung des Art. 12 Abs. 4 EU-RL 2004/35/EG Gebrauch gemacht werden.

Die in der Begründung des Gesetzentwurfs dargelegte Argumentation, es sei im Hinblick auf eine effektive Gefahrenabwehr nicht zielführend, vor dem Ergreifen der notwendigen Maßnahmen ein gesondertes Verfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchführen zu müssen, vermag dabei nicht zu überzeugen.

Es dürfte nicht selten der Fall eintreten, dass die zuständige Behörde erst durch Umweltschützer oder Anwohner von einem Umweltschaden erfährt. Durch das Recht auf ein Verwaltungsverfahren würde die Pflicht der Behörde, den Schadensfall zu bearbeiten, untermauert werden. Dies wäre geeignet, einem Vollzugsdefizit vorzubeugen und mithin im Interesse des Umweltschutzes.

Andererseits könnte, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug geboten wäre, auf der Grundlage von § 28 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG bzw. der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ohnehin auf eine Anhörung von Beteiligten verzichtet werden. Zur einer Effizienzminderung des Verfahrens und zu einer zeitlichen Verzögerung von Maßnahmen käme es daher nicht.

Daher sollte bei der Formulierung des USchadG von der Anwendung der Ausnahmeregelung des Art. 12 Abs. 4 EU-RL 2004/35/EG abgesehen werden.

 

2. Aufforderungsberechtigte

Gemäß § 10, 11 Abs. 2 USchadG können neben Betroffenen lediglich Vereine, die den Voraussetzungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes entsprechen, ein Verwaltungsverfahren zur Durchsetzung der Sanierungspflichten verlangen sowie Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung oder das Unterlassen einer Entscheidung nach USchadG einlegen.

Dazu muss der Verein die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz erfüllen.

Die dort aufgeführten Aufforderungen sind im Wesentlichen auf anerkannte Naturschutzverbände zugeschnitten, wie auch die weitgehende Übereinstimmung der Kriterien von § 59 Abs. 1 BNatSchG mit denen des § 2 Abs. 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zeigt.

Dadurch werden BürgerInneninitiativen, die sich insbesondere aus Anlass bevorstehender oder bereits eingetretener Umweltschäden vor Ort bilden, von den Beteiligungsmöglichkeiten des USchadG ausgeschlossen. Dies entspricht nicht dem Ziel, das umweltpolitische Engagement der Bevölkerung zu stärken und ihr wirksame Mittel zur Durchsetzung ökologischer Ziele zur Verfügung zu stellen. Wenn BürgerInnen zur Durchsetzung umweltpolitischer Ziele andere Organisationsformen als die des Vereins wählen, sollte dies vom Gesetzgeber akzeptiert werden.

Daher sollte die Beschränkung auf Vereine entfallen und auf BürgerInneninitiativen ausgedehnt werden. Hinsichtlich der formellen Anforderungen an eine BürgerInneninitiative sollte es ausreichend sein, wenn in ihrer Gründungserklärung festgelegt ist, dass sie ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert.

 

IV. Deckungsvorsorge

Die Regelung über die Deckungsvorsorge gemäß § 12 USchadG gewährleistet nicht, dass die Verantwortlichen nach Anlage 1 des USchadG die Kosten für die Vermeidungsmaßnahmen (§ 5 USchadG), die Schadensbegrenzungsmaßnahmen (§ 6 Nr. 1 USchadG) oder die Sanierungsmaßnahmen (§ 6 Nr. 2 USchadG, § 8 USchadG) aufbringen können. Damit besteht die Gefahr, dass die Kosten von der öffentlichen Hand getragen werden müssen oder die erforderlichen Maßnahmen wegen finanzieller Engpässe teilweise oder ganz unterbleiben.

Es ist daher festzulegen, dass die Verantwortlichen Sicherheit zu leisten haben, eine Versicherung abschließen oder in anderer Weise sicher stellen, dass eine Deckungsvorsorge für den Eintritt eines worst-case-Schadensfalls erfolgt.

Abzulehnen ist die Regelung des § 12 USchadG, die den Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Modalitäten einer Deckungsvorsorge nur dann vorsieht, wenn die EU auf der Grundlage des Art. 14 EU-RL 2004/35/EG diesbezügliche Vorgaben macht.

 

V. Zeitliche Begrenzung der Anwendung

Die zeitliche Begrenzung der Anwendung des USchadG sollte lediglich durch das rechtlich nicht einschränkbare Maß des Vertrauensschutzes bestimmt sein.

Damit gäbe es keinen Grund, für Schäden, deren Verursachung mehr als 30 Jahre zurückliegt, das USchadG nicht zur Anwendung kommen zu lassen, wie es § 14 Abs. 2 USchadG vorsieht.

Es ist bereits umweltpolitisch nicht sinnvoll, Schadenseintritte, die mehr als 30 Jahre zurückliegen, von der Anwendung auszunehmen. Denn Verursacher unentdeckter Umweltschäden (z. B. Grundwasserschäden) könnten so der Sanierungspflicht entgehen.

Noch weniger Sinn macht es, die Schadensursache zum entscheidenden Kriterium zu machen. Denn zwischen der Entstehung der Ursache eines Schadens und der Wirkung (Eintritt des Schadens) können beispielsweise auf Grund langsamer ökologischer Transportprozesse oder toxikologischer Wirkungsmechanismen lange Zeiträume vergehen. Die dem allgemeinen Zivilrecht und ökonomischen Alltagsleben nachempfundene 30-Jahre-Frist wird daher den Spezifika ökologischer Vorgänge nicht gerecht.

§ 14 Abs. 2 USchadG sollte daher ersatzlos gestrichen werden.