Bürgerinitiativen und Umweltverbände fordern die Rücknahme
einer erfolgten Ethik-Auszeichnung für ein Nuklearunternehmen
(Bonn/Gronau 16.11.05) Mehr als 30 Umweltverbände,
Bürgerinitiativen, Parteigremien und Umweltfirmen haben am
heutigen Mittwoch (16.11.05) in einem Offenen Brief des Bundesverbandes
Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V. die Rücknahme
einer Ethik-Auszeichnung gefordert, die an die Atomfirma Urenco
Deutschland GmbH verliehen wurde. Auch zwei Unternehmen aus der
Solar-Branche, die Wagner & Co GmbH und die Connsolar GmbH,
die ebenfalls beide die Ethik-Auszeichnung der Initiative Ethics
in Business erhalten haben, unterstützen den Offenen Brief.
Die Urenco betreibt im westfälischen Gronau die bundesweit
einzige Urananreicherungsanlage (UAA). In der UAA Gronau wird Uran
für den späteren Einsatz in Atomkraftwerken vorbereitet.
Auch im Interesse des Ansehens der anderen Preisträger, soll
die Initiative Ethics in Business die Auszeichnung der Urenco Deutschland
unverzüglich rückgängig machen.
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Offenen Briefes, darunter
der BUND NRW, der AKU Gronau, die Coordination gegen Bayer-Gefahren,
Rettet den Regenwald und der Vorstand von Bündnis 90 / Die
Grünen in NRW, begründen umfangreich, weshalb die Ethik-Auszeichnung
wieder zurück genommen werden soll.
- Der Betrieb der UAA Gronau dient der Versorgung von Atomkraftwerken
mit angereichertem Uran. Die UAA und die Atomkraftwerke (AKW)
setzen bereits im sogenannten Normalbetrieb Radioaktivität
frei. Und es fallen in den AKW enorme Mengen an Atommüll
an. Und auch in der UAA Gronau fällt direkt Atommüll
an. Hinzu kommen riesige Mengen des sogenannten abgereicherten
Uranhexafluorids. Seit einigen Jahren wird das Material in großen
Mengen nach Russland gebracht. Eine Lösung für die Atommüllproblematik
gibt es nirgends – und es wird sie auch nicht geben. Für
das stetige Anwachsen der Atommüllberge ist die Urenco Deutschland
GmbH mitverantwortlich.
- Da es kein Endlager gibt, soll neben der UAA ein sog. Zwischenlager
für rund 60.000 Tonnen Uranoxid gebaut werden. Das verdeutlicht,
dass die Entsorgung nach wie vor nicht gesichert ist und auch
am Standort Gronau mit Zwischenlager-Scheinlösungen getrickst
wird. Von ethischem Handeln kann da keine Rede sein.
- Ebenfalls völlig abstrus erscheint die Auszeichnung der
Urenco, wenn von sozialen Standards der Zulieferer gesprochen
wird. Grundlage der Urananreicherung ist die Gewinnung von Uran.
Beim Uranabbau sind die Bergarbeiter einer erhöhten Radioaktivität
ausgesetzt. Urenco wird kaum sagen können, das nicht zu wissen.
Weiterhin wird in dem Schreiben an den Versuch der Urenco erinnert,
einen Demonstrationsleiter wider besseren Wissens für Schäden
haftbar zu machen. Das Amtsgericht Gronau wies die Forderungen der
Urenco zurück. Erinnert wird auch daran, dass die Urenco Deutschland
GmbH zum Urenco-Konzern gehört, dessen Zentrifugentechnik in
den Niederlanden trotz angeblicher Anlagensicherheit eine Spionagetätigkeit
auslöste, so dass jetzt in Pakistan und anderswo die Urenco-Zentrifugentechnik
zum militärischen Einsatz kommen kann. Und in Großbritannien
gibt es eine Verzahnung der Urenco Deutschland GmbH über den
Urenco-Mutterkonzern mit der BNFL, die sowohl für den Betrieb
der britischen Urenco-UAA in Capenhurst und für die skandalträchtige
Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield verantwortlich ist. Ein Unternehmen,
das den Kriterien eines Ethik-Preises entspricht, muss jegliche
Kontakte zu BNFL abbrechen.
Für Rückfragen: Udo Buchholz, Tel.: 02562/23125
Anlage: Offener Brief (s.u.)
Initiative Ethics in Businessz.
Hd. Compamedia GmbH
Hofstatt 7
88662 Überlingen am Bodensee
Bonn, 16. November 2005
OFFENER BRIEF
Urananreicherungsanlage Gronau / Ulrich Wickert
übergibt Ethik-Preis an Urenco Deutschland GmbH (Gronauer Nachrichten,
05.11.05)
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir begrüßen es nachdrücklich, wenn sich Unternehmen
ernsthaft darum bemühen, umwelt- und sozialverträglich,
und in ethischer Verantwortung für die Zukunft, zu handeln
und zu produzieren. Mit großer Empörung haben wir aber
zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Initiative Ethics in Business
Anfang November auch ein maßgebliches Unternehmen der internationalen
Atomindustrie, die Urenco Deutschland GmbH, mit dem Preis Ethics
in Business ausgezeichnet hat.
Die Urenco Deutschland GmbH betreibt im westfälischen Gronau
die bundesweit einzige Urananreicherungsanlage (UAA). In der UAA
Gronau wird Uran für den späteren Einsatz in Atomkraftwerken
– in aller Welt - vorbereitet. Nach unserer Auffassung entspricht
der Betrieb der UAA Gronau nicht den Kriterien Ihrer Preisverleihung.
Wir fordern Sie daher nachdrücklich auf, letztlich auch im
Interesse des Ansehens der anderen Preisträger, die Preisverleihung
an die Urenco Deutschland unverzüglich und öffentlich
rückgängig zu machen.
Wir begründen unsere Forderung u. a. folgendermaßen:
- Der Betrieb der UAA Gronau dient der Versorgung von Atomkraftwerken
mit angereichertem Uran. Ohne angereichertes Uran sind fast alle
Reaktortypen nicht produktionsfähig. Die UAA und die Atomkraftwerke
(AKW) setzen bereits im sogenannten Normalbetrieb Radioaktivität
frei. Und: In den AKW fallen enorme Mengen an Atommüll an,
für den es unverantwortlicherweise keine sichere Entsorgungsmöglichkeit
gibt. Der Atommüll wird verschoben, zwischengelagert, exportiert,
freigemessen. Dies darf nicht losgelöst vom Betrieb der UAA
gesehen werden, der ja die Grundlage für den AKW-Betrieb
bildet. Und auch in der UAA Gronau fällt direkt Atommüll
an. Hinzu kommen riesige Mengen des sogenannten abgereicherten
Uranhexafluorids. Ursprünglich wurde das Material nur in
Fässern neben der UAA unter freiem Himmel gelagert. Seit
einigen Jahren wird das Material aber auch in großen Mengen
nach Russland gebracht. Was dort damit geschieht, ist schwer zu
kontrollieren. (vgl. BBU-Pressemitteilung vom 01.03.2005, http://www.bbu-online.de/presseerklaerungen/prmitteilungen/PR%202005/01.03.05.htm).
Es hat mit Ethik absolut nichts zu tun, wenn der Atommüll
exportiert wird und Menschen zugeschoben wird, die sich kaum dagegen
wehren können. Eine Lösung für die Atommüllproblematik
gibt es nirgends – und es wird sie auch nicht geben. Für
das stetige Anwachsen der Atommüllberge ist die Urenco Deutschland
GmbH mitverantwortlich.
- Da es kein Endlager gibt, soll neben der UAA ein sog. Zwischenlager
für rund 60.000 Tonnen Uranoxid gebaut werden. (vgl. hierzu
z. B. die BBU-Pressemitteilung vom 11.07.2003, http://www.bbu-online.de/presseerklaerungen/prmitteilungen/11.07.03.htm).
Dies wurde mit der im Februar 2005 erteilten Genehmigung zur Kapazitätserhöhung
der UAA gleichfalls genehmigt. Als in den 70er und 80er Jahren
die UAA Gronau geplant und gebaut wurde, war nie die Rede davon,
dass letztlich in Gronau auch ein derartiges Atommüll-Lager
errichtet werden soll. Das verdeutlicht, dass die Entsorgung nach
wie vor nicht gesichert ist und auch am Standort Gronau mit Zwischenlager-Scheinlösungen
getrickst wird. Von ethischem Handeln kann da keine Rede sein.
- Ebenfalls völlig abstrus erscheint die Preisverleihung
an Urenco, wenn von sozialen Standards der Zulieferer gesprochen
wird. Grundlage der Urananreicherung ist die Gewinnung von Uran.
Beim Uranabbau sind nicht nur die Bergarbeiter, sondern auch die
Menschen in der Umgebung sowie die gesamte Umwelt einer erhöhten
Radioaktivität ausgesetzt, z. B. durch Radon-Freisetzungen.
Auswirkungen des Uranabbaus beschreibt z. B. Bernhard Mogge (Rheinischer
Merkur, 15. 09. 2000; http://www.jabiluka.de/info/Uran/Unsere+t%E4gliche+Bombe/).
Die Urenco Deutschland GmbH wird kaum sagen können, das nicht
zu wissen.
Zur "Ethik" der Urenco Deutschland GmbH ließe sich
noch viel sagen; erinnert sei an den Versuch der Urenco, einen Demonstrationsleiter
wider besseren Wissens für Schäden am Anlagenzaun haftbar
zu machen, die in einem Bereich entstanden sein sollen, für
den der Demonstrationsleiter überhaupt nicht zuständig
war. Das Amtsgericht Gronau wies die Forderungen der Urenco zurück.
(Gronauer Nachrichten, 12. März 2004, http://www.westline.de/nachrichten/archiv/index_mono.php?file_name=20040311230201_5160baa.nit&jahrgang=2004&stichwort=Zaun&&start=0&order=datum&ort=gn).
Erinnert sei daran, dass die Urenco Deutschland GmbH zum Urenco-Konzern
gehört, dessen Zentrifugentechnik in den Niederlanden trotz
angeblicher Anlagensicherheit eine Spionagetätigkeit auslöste,
so dass jetzt in Pakistan und anderswo die Urenco-Zentrifugentechnik
zum militärischen Einsatz kommen kann. (vgl. z. B. http://www.heise.de/tr/aktuell/meldung/64783).
Angesichts der zivil-militärischen doppelten Nutzungsmöglichkeit
der Urananreicherung ist es ethisch geboten, der Urananreicherung
den Rücken zu kehren, um einer weiteren Verbreitung der Zentrifugentechnik
entgegen zu wirken. Statt dessen expandiert Urenco in Deutschland
und anderswo. Und in Großbritannien gibt es eine Verzahnung
der Urenco Deutschland GmbH über den Urenco-Mutterkonzern mit
der BNFL (vgl., http://www.urenco.com/index.php?id=195&cid=340&gcid=352),
die sowohl für den Betrieb der britischen Urenco-UAA in Capenhurst
und für die skandalträchtige Wiederaufarbeitungsanlage
Sellafield verantwortlich ist. (vgl. z. B. http://allpr.de/15133/ROBIN-WOOD-fordert-den-sofortigen-Ausstieg-aus-der-Plutoniumwirtschaft.html).
Ein Unternehmen, das den Kriterien eines Ethik-Preises entspricht,
muss jegliche Kontakte zu BNFL abbrechen.
Ethik wird oft als Auslegungssache angesehen. Vor den dargestellten
Hintergründen wäre die Initiative Ehtics in Business sicherlich
gut beraten, wenn sie der Urenco Deutschland GmbH den Ethik-Preis
wieder abspräche.
Mit erwartungsvollen Grüßen
Für den Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz
(BBU) e.V.
Udo Buchholz,
Mitglied des Geschäftsführenden BBU-Vorstand
|
Christine Ellermann,
BBU-Geschäftsführerin
|
Für Rückfragen: Udo Buchholz,
Tel.: 02562/23125
MitunterzeichnerInnen
A: Verbände und Institutionen
Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen
Amberger Bürgerinitiative für eine Zukunft ohne Atomkraft
e. V.
Amos – Kritische Blätter aus dem Ruhrgebiet
Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier e. V.
Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau
B A - B I e.V., Bürgeraktion Umwelt & Lebenschutz - Bürgerinitiative
gegen Atomanlagen e.V.
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband
NRW e. V.
Bund Naturschutz Bayern, Kreisgruppe Aschaffenburg
Bündnis 90 / Die Grünen, Kreisverband Emsland Süd
Bündnis 90 / Die Grünen, Kreisvorstand Borken
Bündnis 90 / Die Grünen, Kreisvorstand Steinfurt
Bündnis 90 / Die Grünen, Landesvorstand NRW
Bure-Stop Gruppe Trier
Bürger gegen Atomreaktor Garching e. V.
Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus"
Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm e. V.
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Elternverein Restrisiko Emsland e.V.
FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare
Energiepolitik e. V., Augsburg
Fraktion der Unabhängigen Wählergruppe (UWG) im Rat der
Stadt Ahaus
GAL-Fraktion im Rat der Stadt Gronau (Grün Alternative Liste)
Grafschafter Bürgerinitiative Umweltschutz (GBU) e. V.
Grüne Jugend, Landesvorstand NRW
Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW e. V. (LNU)
Menschen gegen Atomanlagen (MegA), Waltrop
Mütter gegen Atomkraft e. V.
Natur- und Umweltschutzverein Gronau (NUG) e. V.
Öko-Technik Rottmann (ÖTR), Gronau
Réseau "Sortir du nucléaire" / Frankreich
Rettet den Regenwald e. V.
Verein zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse e.V. (VSR-Gewässerschutz)
WASG, Kreisverband Münster
B: Ausgezeichnete Unternehmen / Ethics in Business
Connsolar Energiespeicher- und Regelungssysteme GmbH, Frankfurt
/ M.
Wagner & Co Solartechnik GmbH, Coelbe
C: Privatpersonen:
Berger, Hartwig, Philosoph und Sprecher der BAG Energie von Bündnis
90 / Die Grünen, Berlin
Baitinger, Claudia, Stellv. Sprecherin des BUND AK Atom NRW
Brueck, Klaus
Casaretto, Monika, Dr., Mönchengladbach
Dreier, Almuth, Pädagogin, Marl
Dreier, Hartmut, Pfarrer i. R., Marl
Dütting, Jens, Coesfeld
Frieboese, Bernd, Berlin
Kockmann, Lukas, Ochtrup
Kodde, Janna, Leiden / NL
Liebermann, Hartmut, Ahaus
Montalti, Ute, Ahaus
Müller-Zimmermann, Edith, Gladenbach, Mitglied im BUND und
in der BI Solarstrom Gladenbach
Neumann, Werner, Dr., Energiepolitischer Sprecher des BUND
Rosengart, Ulrich
Sagel, Rüdiger, Landtagsabgeordneter Bündnis 90 / Die
Grünen NRW
Sander, Sabine
Schneider, Peter
Wansing, Heinrich, Prof. Dr., Frohburg
Wilhelm, Helmut, Amberg
|