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Stellungnahme des BBU zum Entwurf des Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zum Entwurf der Neufassung der 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft - 22. BImSchV)

Auf der Anhörung des BMU am 29.08.01 gab Herr Oliver Kalusch als Vertreter des BBU e.V. folgende Stellungnahme ab:

A. Grundsätzliche Einschätzung

Der BBU hält den Entwurf des Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 6. 6. 2001 und den Entwurf der Neufassung der 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft - 22. BImSchV) für nicht ausreichend, um einen effektiven Immissionsschutz zu gewährleisten.

  1. Die Entwürfe enthalten kein Gesamtkonzept zur Lösung des Problems der Krebsrisikos durch Luftverunreinigungen. Lediglich für Benzol wird ein Grenzwert eingeführt. Die Begrenzung eines Einzelstoffs ist aber zur Begrenzung und erforderlichen kontinuierlichen Reduzierung des Gesamt-Krebsrisikos unzureichend.
  2. Das BImSchG soll zukünftig neben den durch Verwaltungsvorschriften aufgrund von § 48 Nr. 1 BImSchG erlassenen Immissionswerten zwei Arten von Immissionswerten, die durch Rechtsverordnungen festgelegt werden, enthalten. Zu den bisher bereits bestehenden Immissionsgrenzwerten auf der Grundlage von Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 S. 1 BImSchG zur Erfüllung von bindenden Beschlüssen der europäischen Gemeinschaft sollen nun gemäß § 48 a Abs. 1 a BImSchG durch Rechtsverordnung der Bundesregierung festgelegte weitere Immissionswerte hinzutreten können. Die zur Einhaltung der Immissionswerte nach § 48 a Abs. 1 a BImSchG vorgesehenen Maßnahmen sind allerdings weniger weitreichend und zwingend als die zur Einhaltung der Immissionswerte nach § 48 a Abs. 1 BImschG. Die so geschaffene Einteilung in Immissionswerte "erster Klasse" und "zweiter Klasse", die sich durch den gesamten Gesetzentwurf zieht, ist ökologisch und toxikologisch nicht sinnvoll und wird daher abgelehnt. Zur Einhaltung aller Immissionsgrenzwerte ist ein einheitliches Maßnahmenbündel auf hohem Niveau verbindlich vorzusehen.
  3. Die für die in der 22. BImSchV aufgrund des § 48 a Abs. 1 BImSchG festgelegten Stoffe vorgesehenen Immissionswerte sind zum Teil zu hoch. Insbesondere bei Ozon sollte eine deutliche Reduzierung erfolgen.
  4. Die Regelungen zur Gewährleistung der Luftqualität für die aufgrund von Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 BImSchG festgelegten Substanzen (insbesondere im Rahmen der Neufassung der 22. BImSchV) sind unzureichend. Aufgrund der weitgehenden Beschränkung auf das Instrument der Luftreinhaltepläne fehlt es an neuen oder die bestehenden Bestimmungen erweiternden oder konkretisierenden Eingriffsmöglichkeiten. Insbesondere wären bei der Überschreitung bestimmter Immissionswerte oder Alarmschwellen folgende Regelungen erforderlich:
  • Die Festlegung eines allgemeinen verbindlichen Fahrverbots, von dem in nur in genau definierten Fällen eine Ausnahme gemacht werden darf. Ausnahmetatbestände in Form von Generalklauseln wie "Gründe des Gemeinwohls" sind zu streichen. § 40 Abs. 1 BImSchG in der vorgesehenen Fassung ist daher unzureichend.
  • Eine dem § 40 Abs. 1 BImSchG entsprechende direkte und explizite Verbots- und Beschränkungsregelung für Anlagen i. S. d. § 3 Abs. 5 BImSchG zur Gewährleistung der in Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 BImSchG näher bestimmten Luftqualität und zur Einhaltung von Immissionswerten der Rechtsverordnungen des BImSchG. Die Befugnisregelung des § 47 Abs. 7 BImSchG und des bereits bestehenden § 49 BImSchG sowie § 17 BImSchG wird für nicht ausreichend erachtet.
  • Die explizite Regelung, dass bei der Gefahr der Überschreitung bestimmter Immissionswerte eine Erstgenehmigung oder eine nicht ausschließlich der Verbesserung der Immissionssituation dienende Änderungsgenehmigung nicht erteilt werden darf, weil in diesem Fall die Genehmigungsvoraussetzungen i. S. d. § 5 BImSchG (ggfs. nach dessen Änderung) nicht erfüllt sind. Zu diesen Immissionswerten sollten die in der 22. BImSchV nach Ablauf der Umsetzungsfrist (bis 2005 bzw. 2010) ohne Addition von Toleranzmargen einzuhaltenden Immissionswerte gehören. Die Einhaltung dieser Immissionswerte bereits zum Genehmigungszeitpunkt - auch wenn dieser zeitlich vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist liegt - sollte ab der Veröffentlichung der BImSchG-Änderung (d. h. voraussichtlich 2002) ein Kriterium für die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage bzw. Anlagenänderung oder ihrer Versagung ohne Einführung von Ausnahmeregelungen (absolute Sperre) werden. Die bisherigen bestehenden oder vorgesehenen immissionsschutzrechtlichen Regelungen sind nicht ausreichend, um dies zu gewährleisten.

 

B. Detailbetrachtung

Im Einzelnen sind insbesondere die folgenden Kritikpunkte hervorzuheben.

I. Verkehrsbeschränkungen gemäß § 40 BImSchG

1. Einhaltung von Immissionswerten gemäß § 48 a Abs. 1 BImSchG

Gemäß § 40 Abs. 1 BImSchG verbietet oder beschränkt die Straßenverkehrsbehörde zur Gewährleistung der in Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 BImschG näher bestimmten Luftqualität den Kraftfahrzeugverkehr, wenn und soweit dieser zur Überschreitung von Immissionswerten beiträgt.

Unklar ist, welche Bedeutung der einschränkenden Formulierung "soweit" zukommt. Falls es sich hier, um eine Anteilsregelung (zeitlicher, räumlicher, mengenmäßiger oder sonstiger Art) bezüglich des Straßenverkehrs handelt, ist unbestimmt, wie diese inhaltlich ausgefüllt werden soll. Hier bedarf es einer Konkretisierung, um eine Umgehung der Pflicht zur Verkehrsbeschränkung zu verhindern.

Zudem dürfen ein Verbot oder eine Beschränkung gemäß § 40 Abs. 1 BImSchG nur dann erlassen werden, wenn der Kraftfahrzeugverkehr "nicht aus Gründen des Gemeinwohls unaufschiebbar ist". Dieser Tatbestand hat die Gestalt einer Generalklausel, die es problemlos ermöglichen könnte, den Verkehr auch bei Überschreitung von Immissionswerten ohne Einschränkung fließen zu lassen. Da fest definierte Ausnahmen gemäß § 40 Abs. 3 S. 2 BImSchG festgelegt werden können, ist die Ausnahmeregelung in § 40 Abs. 1 BImSchG zu streichen.

2. Einhaltung von Immissionswerten, insbesondere gemäß § 48 a Abs. 1a BImSchG

Die grundsätzliche Pflicht der Straßenverkehrsbehörde zur Einleitung von Maßnahmen, um die europarechtlichen Pflichten zur Gewährleistung der Luftqualität, die in Rechtsverordnungen gemäß § 48 a Abs. 1 BImSchG festgelegt sind, zu erfüllen, wird für rein bundesrepublikanische Immissionswerte gemäß § 40 Abs. 2 BImSchG aufgegeben. Statt einer verpflichtenden Bestimmung gilt für diese Immissionswerte nur eine Befugnis der Straßenverkehrsbehörde (Kann-Bestimmung). Und selbst diese gilt nur eingeschränkt, da die Behörde bei ihrer Entscheidung "die Verkehrsbedürfnisse" und die "städtebaulichen Belange" zu berücksichtigen hat. So kann der Fall eintreten, dass trotz der Überschreitung von Immissionswerten keine Maßnahmen ergriffen werden.

§ 40 Abs. 2 BImSchG sollte daher gestrichen werden. Auch auf die Immissionswerte, die nicht von § 48 Abs. 1 BImSchG erfasst werden, sind die Bestimmungen des § 40 Abs. 1 BImSchG anzuwenden, so dass In § 40 Abs. 1 BImSchG die Formulierung "Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 und § 48 a Abs. 1 a" zu wählen ist.

3. Ausnahmeregelungen

Eine Privilegierung für Fahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß wird abgelehnt, falls diese Fahrzeuge Stoffe emittieren, für die in dem betreffenden Gebiet die Immissionswerte überschritten sind. Zusätzliche Emissionen dieser Stoffe - auch in geringerem Maße - sind aus ökologischen und toxikologischen Gründen bei einer Überschreitung der Immissionswerte abzulehnen, da deren Konzentrationen in einem solchen Fall schnellst möglich gesenkt werden müssen. Eine Förderung abgasarmer Kraftfahrzeuge sollte auf andere Art und Weise bewirkt werden.

II. Überwachung der Luftqualität gemäß § 44 BImSchG

Gemäß § 44 Abs. 1 BImSchG sollen die nach Landesrecht zuständigen Behörden die Luftverunreinigungen im Bundesgebiet zur Beurteilung der in Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 BImSchG näher bestimmten Luftqualität regelmäßig untersuchen. Diese Untersuchungen müssen mindestens den Anforderungen der Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 BImSchG entsprechen.

Für die rein nationalen Immissionswerte gelten diese Anforderungen nur eingeschränkt. Gemäß § 44 Abs. 2 BImSchG sind zwar in Gebieten, in denen Immissionswerte aus Rechtsverordnungen aufgrund von § 48 a Abs. 1 a BImSchG überschritten sind oder in denen eine Überschreitung zu erwarten ist, ebenfalls Untersuchungen vorzunehmen. Jedoch fehlt es hier an der Anforderung einer regelmäßigen Untersuchung. Zudem sind im Gegensatz zu § 44 Abs. 1 S. 2 BImSchG keine Untersuchungsstandards festgelegt. Daher sollte § 44 Abs. 2 BImSchG ergänzt werden.

III. Verbesserung der Luftqualität (§ 45 Abs. 1 BImSchG)

Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 BImSchG haben die nach Landesrecht zuständigen Stellen zur Gewährleistung der in Rechtsverordnungen nach § 48 a BImSchG näher bestimmten Luftqualität die "erforderlichen Maßnahmen" zu ergreifen. Mit Ausnahme von Plänen nach § 47 BImSchG enthält § 45 Abs. 1 S. 2 keine Angaben über die "erforderlichen Maßnahmen". Welche Maßnahmen insbesondere in Betracht kommen, sollte konkretisiert werden.

IV. Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität (§ 45 Abs. 2 BImSchG)

Bei Unterschreitung der Immissionswerte, die in Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 BImSchG festgelegt werden, "ist bei allen raumbedeutsamen und sonstigen behördlichen Maßnahmen die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität im Einklang mit einer dauerhaften und umweltgerechten Entwicklung zu berücksichtigen".

Es ist nicht ersichtlich, was durch diese Formulierung konkret ausgedrückt werden soll. Ein zu begrüßendes grundsätzliches Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot bzgl. der Luftqualität hätte deutlicher zum Ausdruck gebracht und klar normativ festgelegt werden müssen. In diesem Fall hätte zudem "zu berücksichtigen" durch "sicherzustellen" ersetzt werden müssen.

Ein reines Abwägungsgebot - beispielsweise im Rahmen der Bauleitplanung - dürfte nach den bisherigen Erfahrungen mit der Abwägung verschiedener Belange nur eine vernachlässigbare Wirkung entfalten.

Abzulehnen ist zudem, dass Immissionswerte aufgrund von § 48 a Abs. 1 a BImSchG von dieser Regelung ausgenommen sein sollen.

V. Luftreinhaltepläne gemäß § 47 BImSchG

Zur Sicherstellung der Einhaltung bestimmter in Rechtsverordnungen nach § 48 a Abs. 1 BImSchG festgesetzter Immissionswerte hat die nach Landesrecht zuständige Behörde gemäß § 47 Abs. 1 BImSchG Luftreinhaltepläne aufzustellen. Diese Luftreinhaltepläne müssen die in einer Rechtsverordnung nach § 48 a Abs. 1 BImSchG vorgeschriebenen Angaben enthalten.

Diese zwingende Bestimmung für europarechtlich festgelegte Immissionswerte gilt für rein bundesrepublikanische Immissionswerte gemäß § 48 a Abs. 1 a BImSchG nicht mehr. Hier liegt es im Ermessen der zuständigen Landesbehörde zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte Luftreinhaltepläne aufzustellen (§ 47 Abs. 3 S. 1 BImSchG). Eine Regelung, welche Angaben diese zu enthalten haben, wird nicht getroffen. Auch zur Einhaltung von Immissionswerten gemäß § 48 a Abs. 1 a BImSchG sollte die Erstellung von Luftreinhalteplänen zwingend vorgeschrieben und ihr Inhalt verbindlich festgelegt werden. Entsprechendes sollte für die Untersuchungsgebiete i. S. v. § 44 Abs. 3 BImSchG oder Gebietsteile gelten. Die Raumordnungsklausel gemäß § 47 Abs. 3 S. 3 BImSchG sollte gestrichen werden.

VI. Aktionspläne gemäß § 47 BImSchG

Gemäß § 47 Abs. 2 BImSchG hat die zuständige Landesbehörde bei drohender Überschreitung von bestimmten aufgrund von § 48 a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionswerten Aktionspläne aufzustellen, die insbesondere Maßnahmen vorsehen, die kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung dieser Werte zu verringern oder deren Dauer zu beschränken.

Da nicht für alle Stoffe, für die Immissionswerte aufgrund von § 48 a Abs. 1 BImSchG festgelegt sind, Alarmschwellen bestimmt wurden, sind diese jeweils zu ermitteln und normativ festzuschreiben.

Zudem sollte Stoffen, für die Immissionswerte aufgrund von § 48 a Abs. 1 a BImSchG festgelegt werden, ebenfalls jeweils eine Alarmschwelle zugeordnet werden. Für diese Stoffe müssen die Regelungen des § 47 Abs. 2 BImSchG in gleicher Weise gelten.

In § 11 Abs. 4 der 22. BImSchV finden die Aktionspläne gleichfalls Erwähnung. So haben die zuständigen Behörden bei der Gefahr der Überschreitung von Immissionswerten gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 der 22. BImSchV und/oder Alarmschwellen "Aktionspläne mit kurzfristigen Maßnahmen" aufzustellen, "um die Gefahr der Überschreitung zu verringern oder deren Dauer zu beschränken". Gemäß § 11 Abs. 4 S. 3 der 22. BImSchV können dies je nach Fall Maßnahmen zur Beschränkung oder Aussetzung der Tätigkeiten einschließlich des Kraftfahrzeugverkehrs sein. Diese unscharfen Formulierungen sind nicht geeignet, die Einhaltung oder Unterschreitung von Immissionswerten (wieder) zu gewährleisten. Es fehlt ein verbindliches und zwingend anzuwendendes Instrumentarium, dass direkt durchzuführende Maßnahmen vorsieht. Dieses ist in das BImSchG einzufügen.

Die Regelung gemäß § 11 Abs. 4 S. 4 der 22. BImSchV, nach der im Falle der Gefahr der Überschreitung von Immissionswerten Alarmpläne erst ab den für die Einhaltung dieser Immissionsgrenzwerte festgesetzten Zeitpunkten durchzuführen sind, ist zu streichen, um das notwendige Handeln im Vorfeld zu ermöglichen.

VII. Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen

Gemäß § 47 Abs. 5 S. 1 BImSchG ist die Öffentlichkeit bei der Aufstellung der Luftreinhaltepläne zu beteiligen. Näheres ist hierzu im Entwurf nicht geregelt.

Die Art und Weise der Beteiligung sollte konkret festgelegt werden, damit sichergestellt wird, dass ein Dialog mit der Bevölkerung stattfindet, der sich nicht in oberflächlichen Informationsveranstaltungen und der Vorlage von Plänen, auf die die Bevölkerung keine Einwirkungsmöglichkeit mehr hat, erschöpft.

Gemäß § 47 Abs. 5 S. 1 BImSchG und § 12 Abs. 7 der 22. BImSchV müssen die Pläne für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Diese Formulierung ist unzureichend. Es muss sichergestellt sein, dass jede interessierte Person auf Anforderung kostenlos ein Exemplar eines solchen Plans bzw. des jeweils gültigen Entwurfs erhält.

VIII. Maßnahmen der Luftreinhaltepläne oder Aktionspläne

Gemäß § 47 Abs. 6 BImSchG sind die Maßnahmen der Luftreinhaltepläne oder Aktionspläne durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsträger durchzusetzen. Insoweit in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen sind, sind diese von den zuständigen Planungsträgern bei ihren Planungen lediglich zu berücksichtigen. Diese für den Immissionsschutz relevanten planungsrechtlichen Festlegungen wären damit nicht zwingend einzuhalten, sondern lediglich abwägungserheblich. Um zu verhindern, dass Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt im Wege des Abwägungsvorgangs umgangen werden, ist "zu berücksichtigen" durch "zu beachten" zu ersetzen.

IX. Bestimmungen für Gebiete, in denen Immissionswerte überschritten können

Gemäß § 47 Abs. 7 BImSchG werden die Landesregierungen ermächtigt, zur Gewährleistung der aufgrund von § 48 a Abs. 1 BImschG erlassenen Immissionswerte durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bezeichnenden Gebieten bestimmte Anlagen nicht oder nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen bzw. in der Verwendung ihrer Brennstoffe eingeschränkt werden.

Dieses mittelbare, räumlich nur begrenzt einsetzbare und schwerfällige Instrumentarium ist unzureichend. Ergänzend sind die zuständige Immissionsschutzbehörden ausdrücklich zu ermächtigen und zu verpflichten, Maßnahmen der in § 47 Abs. 7 BImSchG beschriebenen Art zu ergreifen, wenn eine Überschreitung der gemäß § 48 a Abs. 1 BImSchG erlassenen Immissionswerte vorliegt oder erfolgen kann und diese Anlagen oder Brennstoffe geeignet sind, zur Überschreitung der Immissionswerte beizutragen.

Insbesondere sollte festgelegt werden, dass eine Neugenehmigung von Anlagen, die zu einem Stoffeintrag der Substanzen führen, für die eine Überschreitung der in der 22. BImSchV nach Ablauf der Umsetzungsfrist (bis 2005 bzw. 2010) ohne Addition von Toleranzmargen einzuhaltenden Immissionswerte zum Genehmigungszeitpunkt vorliegt oder zu erwarten ist, bereits ab der Veröffentlichung der BImSchG-Änderung (voraussichtlich 2002) nicht erfolgen darf. Die endgültig zu erreichenden Immissionsgrenzwerte müssten demnach sofortige Sperrwirkung für Anlagen entfalten, in deren Umfeld diese Werte bereits jetzt überschritten sind oder überschritten werden können.

Gleiches sollte für Änderungsgenehmigungen gelten, die nicht ausschließlich der Verringerung von Immissionen dienen. Es sollte in § 6 BImSchG festgelegt werden, dass in derartigen Fällen die Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt werden können. Ein System von Ausnahmeregelungen, wie es z. B. die TA Luft in ihrem derzeitigen Entwurf vorsieht, sollte durch entsprechende Regelungen im BImSchG unterbunden werden.

Derartige Regelungen sind zudem auch auf die gemäß § 48 a Abs. 1a BImSchG erlassenen Immissionswerte auszudehnen.

X. Lärmminderungspläne

Wie bei den planungsrechtlichen Festlegungen gemäß § 47 Abs. 6 BImSchG drohen aufgrund des neuen § 47a Abs. 4 BImSchG die Lärmminderungspläne zu bloßen abwägungserheblichen Belangen zu werden. Angesichts der (beispielsweise durch den verstärkten Straßenverkehr) drastisch erhöhten Lärmbelastung wird diese Bestimmung der Problematik nicht gerecht. Erforderlich sind vielmehr verbindliche Regelungen.

XI. Immissionswerte

Eine Senkung bisher bestehender Immissionswerte bzw. Begrenzung von Immissionen bisher nicht geregelter Substanzen ist aus ökologischen Gründen erforderlich. Die im Entwurf der 22. BImSchV festgelegten Immissionswerte müssten jedoch zum Teil über das in den Richtlinien der Europäischen Union festgelegte Maß hinaus weiter kontinuierlich abgesenkt werden, um den Schutz der menschlichen Gesundheit und den Schutz empfindlicher Pflanzen, Tiere und Ökosysteme zu gewährleisten.

Zudem existieren nur für Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid Alarmschwellen. Diese sind auch für die übrigen Substanzen festzulegen.

1. Schwefeldioxid (§ 2 der 22. BImSchV)

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist gemäß § 2 Abs. 4 der 22. BImSchV ab dem 1. 1. 2005 ein 24-Stundenmittel-Immissionswert von 125 µg/m3 einzuhalten. Bis zum 1. 1. 2006 sollte dieser Wert weiter auf 100 µg/m3 abgesenkt werden.

Zum Schutz von Ökosystemen ist gemäß § 2 Abs. 5 der 22. BImSchV ab Inkrafttreten der Verordnung ein Jahresmittelwert sowie ein Winterhalbjahresmittelwert von 20 µg/m3 einzuhalten. Diese Wert sollte auf 10 µg/m3 gesenkt werden.

Die Regelung gemäß § 2 Abs. 6 der 22. BImSchV, dass an drei aufeinanderfolgenden Stunden eine Überschreitung des Wertes von 500 µg/m3 gegeben sein muss, damit die Alarmschwelle überschritten wird, ist zu streichen, Das Vorliegen einer einzigen Überschreitung sollte hinreichend sein, da anderenfalls periodisch und stoßweise auftretende Ereignisse unberücksichtigt bleiben könnten (z. B. im Rahmen des täglichen Verkehrs während der Rush-hours).

2. Stickstoffdioxid (§ 3 der 22. BImSchV)

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist gemäß § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV ab dem 1. 1. 2010 ein 24-Stundenmittel-Immissionswert von 40 µg/m3 einzuhalten. In den Folgejahren sollte dieser Wert jährlich um 2 µg/m3 bis auf 20 µg/m3 mindestens abgesenkt werden.

Zum Schutz der Vegetation ist gemäß § 3 Abs. 6 der 22. BImSchV ab Inkrafttreten der Verordnung ein Jahresmittelwert von 30 µg/m3 einzuhalten. Diese Wert sollte auf 10 µg/m3 gesenkt werden.

Die Regelung gemäß § 3 Abs. 7 der 22. BImSchV, dass an drei aufeinanderfolgenden Stunden eine Überschreitung des Wertes von 400 µg/m3 gegeben sein muss, damit die Alarmschwelle überschritten wird, ist zu streichen. Eine einmalige Überschreitung ist als ausreichend anzusehen.

3. Benzol (§ 6 der 22. BImSchV)

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist gemäß § 6 Abs. 1 der 22. BImSchV ab dem 1. 1. 2010 ein Jahresmittelwert von 5 µg/m3 einzuhalten. In den Folgejahren sollte dieser Wert jährlich um 1 µg/m3 bis auf 1 µg/m3 mindestens abgesenkt werden.

4. Kohlenmonoxid (§ 7 der 22. BImSchV)

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist gemäß § 7 Abs. 1 der 22. BImSchV ab dem 1. 1. 2005 ein höchster gleitender Achtstundenmittelwert von 10 mg/m3 einzuhalten. In den nächsten beiden Folgejahren sollte dieser Wert jährlich um 2,5 mg/m3 bis auf 5 mg/m3 abgesenkt werden.

 

5. Ozon (§ 15 der 22. BImSchV)

Als Schwellenwert für den Gesundheitsschutz im Falle länger andauernder Verschmutzungsfälle ist gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 der 22. BImSchV weiterhin ein Achtstundenmittelwert von 110 µg/m3 vorgesehen. Dieser Wert sollte auf 60 µg/m3 gesenkt werden. Hierbei sollten nicht nur vier Achtstundenmittelwerte berechnet werden, sondern pro Stunde ein gleitender Achtstundenmittelwert über die letzten acht Stunden ermittelt werden.

Als Wert für die Unterrichtung der Bevölkerung ist gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 der 22. BImSchV weiterhin ein Immissionswert von 180 µg/m3 als Stundenmittelwert vorgesehen. Dieser Wert sollte auf 110 µg/m3 gesenkt werden.

Als Wert für die Auslösung des Alarmsystems zum Schutz der Gefahren für die menschliche Gesundheit ist gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4 der 22. BImSchV weiterhin ein Immissionswert von 360 µg/m3 als Stundenmittelwert vorgesehen. Dieser Wert sollte auf 180 µg/m3 gesenkt werden.

XII. Unterrichtung der Öffentlichkeit über aktuelle Schadstoffkonzentrationen

Gemäß § 12 Abs. 1 der 22. BImSchV haben die zuständigen Behörden der Öffentlichkeit und z. B. Umweltschutzorganisationen "Informationen über die Konzentrationen der in § 2 bis § 7 der 22. BImSchV genannten Schadstoffe in geeigneter Form zur Verfügung" zu stellen. Diese Regelung fällt für natürliche und juristische Personen des Privatrechts sowie BürgerInneninitiativen hinter die bestehenden Vorschriften des UIG zurück, nach der die Informationen in der Art zu übermitteln sind, die ein Antragsteller begehrt. § 12 Abs. 1 der 22. BImSchV ist so, dass die Informationen gegebenenfalls in der Weise zu übermitteln sind, die der einzelne Informationsbegehrende beantragt.

Zudem ist festzulegen, dass die Informationsübermittlung kostenlos erfolgt, um zu verhindern dass die Informationspflicht durch eine Gebührenregelung umgangen wird.

Zudem ist die Informationspflicht des § 12 Abs. 1 der 22. BImSchV auf die Informationen über die Ozonkonzentrationen gemäß § 15 der 22. BImSchV auszudehnen.